Von Bastian Fröhlig – Erschienen im Pinneberger Tageblatt am 23.11 2021
In den USA ist Thanksgiving das Familienfest, auf das sich Familienmitglieder und Freunde das ganze Jahr über freuen und zum Teil weite Reisen auf sich nehmen, um dabei zu sein. Vielleicht vergleichbar mit unserem Weihnachtsfest“, sagte Bernd Hinrichs, Präsident der Deutsch-Amerikanischen Gesellschaft Rockville-Pinneberg, beim klassischen Thanksgiving Dinner im Cap Polonio. Frederik (11) und Alexander (9) sind mit Abstand die jüngsten Teilnehmer. Mit ihren Eltern Katharina und Christian Jessen-Klingenberg haben die beiden sechs Jahre in den USA gelebt, kennen also das echte Thanksgiving. Wie anders ist es in Pinneberg?, fragte unsere Zeitung.
„Thanksgiving wird in den USA meistens in der Familie gefeiert. Wir waren Thanksgiving immer unter uns, haben auch keine Freunde besucht“, erläutert Christian Jessen-Klingenberg. Dass Vereine und deren Mitglieder zusammen feiern, sei ungewöhnlich. „Die Rockville City Sisters, das amerikanische Gegenstück der Deutsch-Amerikanischen Gesellschaft Rockville-Pinneberg, wären nie auf die Idee gekommen, zu Thanksgiving einzuladen“, ist er sicher. Der Grund: „Da würde vermutlich niemand kommen.“
„Beiden Festen gemeinsam ist – wie der deutsche Name bereits verrät – der Dank für eine gute Ernte und ganz allgemein dafür, dass das täglich Brot gesichert ist“, hat Frederik auf Nachfrage unserer Zeitung auf die Frage nach den Unterschieden aufgeschrieben. „In Deutschland ist das Erntedankfest hauptsächlich eine Sache der Kirchen. Gefeiert wird heute meist am ersten Sonntag im Oktober – es gab aber in der Vergangenheit auch andere Termine, zwischen Ende August und Anfang November“, erläutert er. In den USA wird immer am vierten Donnerstag im November gefeiert, also in diesem Jahr am 25. November. „Thanksgiving ist ein staatlicher Feiertag – und von der gefühlten Wertigkeit her ungefähr so wichtig wie Weihnachten in Deutschland: Das ist tatsächlich ein Tag, an dem die meisten Geschäfte und Restaurants in den USA geschlossen sind“, berichtet der Elfjährige.
„Es gibt eine Fülle von privaten und staatlichen Ritualen zu Thanksgiving – zum Beispiel beim Essen: Traditionell wird Truthahn gegessen, dazu Süßkartoffeln, Maisbrot, Cranberrysauce, Sauce, Kartoffeln oder Kartoffelmus. Die Truthahnfüllung besteht aus Brot, Zwiebeln, Kräutern, Gewürzen und Ei“, weiß Frederik zu berichten. Das ist in Pinneberg nicht anders. Allerdings werde dort nur in der Deutsch-amerikanischen Gesellschaft gefeiert. In den USA sei Thanksgiving ein Tag für die Familien und die Nachbarschaft.
„Viele Gemeinden und Kirchengemeinden werden aktiv, um ärmeren Mitgliedern das traditionelle Thanksgiving-Dinner zu ermöglichen, sei es durch Geldspenden, oder Mitarbeit bei der Essenszubereitung oder der Essensausgabe“, erläutert der Elfjährige. „Es ist durchaus normal, den eigenen Bürgermeister und Kongressabgeordneten zu Thanksgiving in einer Armenküche bei der Mitarbeit zu sehen.“
Eine Besonderheit ist bei Frederik hängengeblieben: die Truthahnbegnadigung. „Dem Präsidenten wird ein stattlicher Truthahn präsentiert, der dann offiziell begnadigt wird und in einem Streichelzoo oder auf einer Farm weiterleben darf“, berichtet der Elfjährige. Den gibt es im Cap Polonio nicht, aber zumindest einige Stoff-Truthähne, die vor allem bei den beiden Kindern auf Begeisterung stoßen.
„Der genaue Ursprung von Thanksgiving liegt, wie so vieles in der amerikanischen Frühgeschichte, im Dunkeln. Die vorherrschende Erzählung ist die, dass das erste Thanksgiving entweder 1621 in Massachusetts gefeiert wurde, und zwar gemeinsam von Siedlern und amerikanischen Ureinwohnern, die den Siedlern im vorangegangenen Winter mit Lebensmittellieferungen vor dem Hungertod bewahrt hatten“, erläutert Christian Jessen-Klingenberg. George Washington proklamierte 1789 Thanksgiving zu einem nationalen Gedenktag – und seit 1863 ist das Fest staatlicher Feiertag in den USA.
Foto: Bastian Fröhlig